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Buchtipps - Belletristik

Ein raffiniert komponierter Roman aus den Niederlanden. Drei Personen, Mari, Tarik und Ahmad beschreiben ihr Leben, in dem sie nicht so recht weiter wissen. Ahmad ist vor dem Krieg in seiner Heimat in die Niederlande geflohen. Mari wollte ihn beschützen und lieben, ist aber gescheitert und reist als Archäologin nach Syrien. Dort lernt sie den ehemaligen Soldaten Tarik kennen, der sich in das abgelegene Grenzgebiet zurückgezogen hat. Drei Leben auf fatale Weise miteinander verflochten, psychologisch beschrieben, tiefgehend und berührend.  

Ein Pageturner! 500 Seiten lesen sich schnell weg. Die Frau kann schreiben! Im neuen Buch der Booker-Preisträgerin Eleanor Catton prallen Welten aufeinander. Eine Guerilla-Gardening-Gruppe und ein mysteriöser, charismatischer Milliardär ohne Moral. Nach und nach kommt heraus, dass der Milliardär sich einen gigantischen Bunker bauen will, in Wirklichkeit aber ganz andere Interessen dahinter stecken. Die ganze Situation spitzt sich immer mehr zu bis zum gnadenlosen Ende… Extrem spannend.

Im Dankesnachwort schreibt Elizabeth Graver „obwohl Kantika ein Roman ist, habe ich mit der Grenze zwischen Fakt und Fiktion gespielt und mich auf die Erfahrungen realer Personen gestützt“. Graver hat hiermit ihrer Großmutter Rebecca Cohen ein Denkmal gesetzt und ein halbes Jahrhundert jüdischer Geschichte aus deren Sicht geschildert mit den Stationen Konstantinopel, Barcelona, Havanna und New York. Eine opulente Familiengeschichte  mit Tiefgang und einer starken Frauenpersönlichkeit. Absolut lesenswert.

Es sind die neunziger Jahre in Italien. In den Kneipen wird geraucht, an den Tankstellen wird man bedient. Alex Capus bezieht ein einsam stehendes Steinhaus am Sonnenhang eines Weinbergs. Dort verbringt er als angehender Schriftsteller viel Zeit, um seinen ersten Roman zu  schreiben. Dies ist eine nostalgische Erinnerung an eine vergangene Zeit mit Münztelefon und ohne Internet.  Er setzt sich autobiographisch mit dem Prozess des Schreibens auseinander: „Auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller können nur erzählen, was sie in sich haben“.

Norwegen: Als Juni beschließt ihren Mann zu verlassen und über ihre ungeplante Schwangerschaft nachzudenken, flieht sie auf die Insel ihrer Kindheit. Im Haus ihrer Großeltern stößt sie plötzlich auf ein Foto, das ihre Großmutter mit einem deutschen Soldaten zeigt. Mit Hilfe des Nachbarn Georg stellt sie Nachforschungen an und reist sogar nach Deutschland, um Antworten zu finden. Trude Teige gelingt aus ihrem Blickwinkel ein großartiger Roman über Deutsch-Norwegische Geschichte.

Henrietta, 32, Berufsbezeichnung „gescheiterte Bibliothekarin“, hat endlich eine Arbeit gefunden, bei der sie stoisch vorgehen kann. Beim Projekt Lebensbuch schreibt sie die Lebensgeschichte kranker Menschen auf. Als Vorlage dienen Fragebögen und genau definierte Lebensabschnitte. Als Hen Annie ( Mitte 60) kennenlernt muss sie erkennen, dass deren Geschichte nicht so einfach in ihre Vorgaben zu pressen ist. Die beiden freunden sich an und ein Rätsel möchte Hen unbedingt lösen. Was geschah mit Annies verschwundener Schwester?

Der Roman versetzt uns zurück ins 16.Jahrhundert. Im Mittelpunkt steht Lucrezia von Medici. Gerade 16 Jahre alt, verstirbt sie nach noch nicht einmal einem Jahr Ehe mit dem Herzog Alfonso II. von Ferrara auf mysteriöse Weise. Gerüchten zufolge wurde sie vergiftet, weil sie den heiß ersehnten Erben noch nicht geboren hat. Die Autorin beschreibt das Leben Lucrezias unglaublich fesselnd und in einer wunderschönen Sprache, zudem lässt sie sich ein Ende einfallen, das freudig überrascht!

Und es gibt sie doch, die eine große Liebe, zumindest für Clara und Elias. Beide haben schon einige Beziehungen gehabt, nie waren sie mit ihren Partnern so richtig glücklich. So treffen sie aufeinander, am Anfang skeptisch, zumal Clara älter ist als Elias. Als sie endlich die Erkenntnis zulassen, dass sie wie zwei auseinandergebrochene Hälften zusammengehören, stellt sich ihnen das Schicksal bitterböse in den Weg. Aber es lohnt sich, bis zum Ende durchzuhalten!

In diesem Roman ist alles außergewöhnlich. Der Leser wird konfrontiert mit einer Kapitänin, mit Lebenden, Toten und Seefahrern, mit einem Containerschiff. Die Besatzung wünscht einen Badeausflug auf dem offenen Meer. Zu ihrer eigenen Überraschung stimmt die Kapitänin zu. Eigenartige Dinge ereignen sich anschließend: ein weiteres Besatzungsmitglied taucht auf, mysteriöser Nebel kommt auf, das Schiff wird unerklärlicherweise immer langsamer... Dieser kurze Roman ist in seiner Andersartigkeit ein Kleinod.

1922: Die junge Hebamme Hulda Gold bestreitet im Berlin der Nachkriegsjahre alleine ihren Lebensunterhalt. Das Schicksal der Frauen aus unterschiedlichsten Schichten liegt ihr besonders am Herzen. Deshalb stellt sie unerschrocken Untersuchungen an, als eine Frau tot aus einem Kanal geborgen wird und begibt sich bei ihrer Recherche mehrfach in Gefahr. Hulda Gold nimmt die Leser mit in die Zeit der 20er Jahre, oft weit entfernt von der Vorstellung des schillernden Berlin. Spannend, unterhaltsam und bewegend!