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Buchtipps von Rainer Moritz

Urlaub in Deutschland, und möglichst draußen, liegt in diesem Jahr absolut im Trend. Eine relativ neue Reihe vom Dumont-Verlag hat dies vorausschauend erkannt. Inzwischen gibt es fast 50 Destinationen, überwiegend in Deutschland oder angrenzenden Gebieten. Es gibt Vorschläge für ein paar Stündchen, für einen Tag oder für ein Wochenende. Jeweils mit einer kleinen Karte und Tipps für „beste Zeit“, „Dauer und Strecke“, „Ausrüstung“ und „Hin und weg“.

Die Neue Zürcher Zeitung schreibt: „Wer in hundert Jahren etwas über das deutsche Familienleben erfahren will, etwas darüber, wie es einmal war, der lese dann „Aus und davon“. “

Eine Sprache die lebt, verändert sich. Darum gibt es natürlich auch Wörter und Bezeichnungen, deren Ursprung für uns im Dunklen liegen, auch wenn wir sie im heutigen Sprachgebrauch durchaus benutzen. Papperlapapp, Rabauke, Larifari, verhohnepipeln oder hanebüchen seien beispielhaft für fast vergessene Wörter genannt. Andrea Schomburg und Irmela Schautz geben für jeden Begriff vier mögliche Herleitungen, aber natürlich stimmt nur eine Version. Ein amüsantes Buch nicht nur für Besserwisser, sondern auch für solche, die es werden wollen. Auch als geistreiches Geschenk geeignet.

Die Rautenbergs: die Geschichte einer westdeutschen Unternehmerfamilie und ihres Verfalls.

Johannes Hosea Stärckle, der Stotterer, hat es nicht gerade leicht gehabt in seinem Leben. Momentan sitzt er wegen Betrugs im Gefängnis. Die Überlebenskunst beherrscht er perfekt in immer wieder neuen Identitäten und er hat gelernt, wie leicht sich Menschen manipulieren und ausbeuten lassen. Der Briefwechsel mit dem Gefängnispfarrer ist absolut lesenswert. Seine Leitlinie sind Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, als dessen Nachfolger er sich begreift.

Katerina Poladjan wurde 1971 in Moskau geboren und siedelte als Kind nach Deutschland über. Ihr Großvater überlebte den Genozid an den Armeniern im Ersten Weltkrieg. Im aktuellen Roman von ihr folgt sie nun dieser Spur. Ihre Heldin, die Buchrestauratorin Helen, reist nach Armenien, um dort ihren familiären Hintergründen näher zu kommen. Die Spurensuche ist oft trügerisch und der unsichtbare Schrecken sowohl der Vergangenheit als auch die kriegerischen Auseinandersetzungen der Gegenwart hocken im Nacken.

Sasa Stanisic wurde 1978 in Visegrad im damaligen Jugoslawien, jetzt Bosnien-Herzegowina, geboren und emigrierte 1992 mit seinen Eltern nach Deutschland. Es ist ein Buch über die verlorene Kindheit, den Abschied von der dementen Großmutter und über das Ankommen in der neuen Heimat - über Geschichte und Gegenwart. Mit großem Erzähltalent und gewohnt lustvoller Formulierungskunst lässt er uns teilhaben an seiner autobiographischen Selbstbefragung.  Absolut lesenwert!

Zehn Bände exklusiv illustrierte Cover mit hochwertigem Leineneinband sind zum 40jährigen Bestehen der Reihe „Gebrauchsanweisungen für...“  entstanden. Insgesamt gibt es über 100 verschiedene Destinationen und seit ein paar Jahren zusätzlich einige Themenbände wie „Wald“, „Lesen“ oder „Leben“. Die Gebrauchsanweisungen dürfen bei keiner Reisevorbereitung fehlen. Sie geben nicht unbedingt praktische Tipps, aber die Mentalität des Reiseziels fangen sie wunderbar ein und sind somit unentbehrlich. Selbst wenn eine Reise doch nicht zustande kommen sollte.

Francesca Melandri entfaltet eine schier unglaubliche Familiengeschichte über drei Generationen und ein schonungsloses Porträt der italienischen Gesellschaft. Sie holt die bisher verdrängte italienische Kolonialgeschichte des 20. Jahrhunderts in Afrika in die Literatur und verknüpft sie mit dem Schicksal der heutigen Geflüchteten. Italienische Großmachtträume unter den Faschisten spielen genauso eine Rolle wie Italien unter Berlusconi. Geschichte hat kein Anfang und kein Ende.

Ein immer noch fremd anmutendes, von Kriegen und Katastrophen zerklüftetes Gebiet beginnt östlich von Deutschland und erstreckt sich über Russland bis zum Orient. Navid Kermani ist entlang den Gräben gereist, die sich gegenwärtig in Europa neu auftun: von seiner Heimatstadt Köln nach Osten bis ins Baltikum und von dort südlich über den Kaukasus bis nach Isfahan, die Heimat seiner Eltern. Mit untrüglichem Gespür für sprechende Details erzählt er in seinem Reisetagebuch von vergessenen Regionen, in denen auch heute Geschichte gemacht wird.